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Einladung zur 24. Jahrestagung der EPF 2011 in Kopenhagen

Angst und Methode in der Psychoanalyse

Die 24. Jahrestagung der EPF vom 14. bis zum 17. April 2011 in Kopenhagen widmet sich einem, bereits im Vorfeld, äusserst kontrovers aufgenommenem Thema: Angst und Methode in der Psychoanalyse.

Zunächst irritiert die Formulierung, da uns als Psychoanalytiker das Thema Angst unmittelbar an die zu analysierenden Ängste unserer Patienten denken lässt. Erst in zweiter Linie denken wir an diejenigen Aspekte von Angst, die uns im Rahmen psychoanalytischer Behandlungen in der Gegenübertragung bzw. in der Übertragung auf den Patienten ernsthafte Probleme bereiten. Die Analyse von Gegenübertragungsängsten, Sorgen und Bedenken steht und fällt mit der analytischen Fähigkeit, die ´übertragenen´ von den persönlichen Ängsten ausreichend gut  unterscheiden zu können. Es handelt sich dabei um eine Fertigkeit bzw. Kunst, die nicht selbstverständlich ist und für jeden Analytiker und jede Analytikerin eine enorme Herausforderung darstellt. Mit letzteren Phänomenen werden wir uns sowohl aus theoretischer als auch aus klinischer Sicht auf der Tagung in Kopenhagen beschäftigen.

Fängt man an, sich mit dem Thema eingehender zu befassen, wird deutlich, dass viele aktuelle klinisch theoretische Fragestellungen unter diesem Blickwinkel zu betrachten sind. Die Tatsache, dass die Psychoanalyse in der Öffentlichkeit immer weniger Beachtung findet (Verlust des Einflusses an den Universitäten und mangelnde Zuweisung von Forschungsgeldern, sowie der offensichtliche Rückgang  des Interesses potenzieller Patienten an  hochfrequenten psychoanalytischen Behandlungen, obwohl sie von einer solchen Behandlung profitieren könnten, wobei es diesbezüglich große Unterschiede zwischen den verschiedenen europäischen Ländern bzw. psychoanalytischen Gesellschaften gibt), wirkt sich zwangsläufig auch auf die methodische Sicherheit bzw. das Selbstbewusstsein ihrer Vertreter aus. In zunehmendem Maß spielen Rationalisierungen, der Verweis auf  die zu respektierende Realität und die Einflussnahme Dritter (z.B. Krankenversicherungen, soziale Institutionen) bei der Indikationsstellung für psychoanalytische Behandlungen eine immer größere Rolle. Genauso verhält es sich bei der Frage nach der Fortsetzung von hochfrequenten Behandlungen, die von der Gesellschaft äusserst kritisch betrachtet oder gar angefeindet werden. Der einzelne Psychoanalytiker findet sich heute in einer turbulenten gesellschaftlichen Umwelt wieder, in der er nicht länger Vorkämpfer für eine einzigartige und neue Behandlungsmethode ist, sondern sich nur allzu oft in einer defensiven Verteidigungsposition befindet, lediglich Vertreter einer Methode neben vielen anderen zu sein, so genannten moderneren und "erfolgreicheren" psychotherapeutischen Methoden.

Bereits im Jahr 1967 erschien ein Band mit dem Titel „Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften". Der Autor, Georges Devereux [13.08.1908 - 28.05.1985] ist als György Dobó in Lugos, ungarisch Transsilvanien, geboren und hat als psychoanalytisch orientierter Anthropologe und Ethno-Psychoanalytiker gearbeitet,   formulierte darin eine basale Kritik an der verhaltenswissenschaftlichen Methodologie und vertrat die Position, dass die wissenschaftliche Erforschung des Menschen "durch die angsterregende Überschneidung von Objekt und Beobachter behindert" wird, was letztlich die "Wahrnehmung und Deutung von Daten" verzerrt. Zusammenfassend formuliert er die These, "verhaltenswissenschaftliche Daten erregen Ängste, die durch eine von der Gegenübertragung inspirierte Pseudomethodologie abgewehrt werden. Dieses Manöver ist für nahezu alle Mängel der Verhaltenswissenschaften verantwortlich".

Überall unter uns wird heute die Frage nach der Zukunft der Psychoanalyse heftig diskutiert und bekommt mehr oder weniger eine geradezu existenzielle Bedeutung. Viele Kolleginnen und Kollegen behandeln kaum noch hochfrequent (drei, vier- oder fünfstündig pro Woche) und die Grenzen zur Psychotherapie verschwimmen mehr und mehr und werden durch externe Faktoren beeinflusst. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Angst umgeht - die Angst und die Sorge um die Zukunft der Psychoanalyse. Während die einen vehement den Anschluss an den Mainstream bzw. die Übernahme aktueller Forschungsstrategien aus den Humanwissenschaften fordern, um nicht weiter ausgeschlossen zu werden und größeren Einfluss zu gewinnen, befürchten die anderen, dass damit wesentliche psychoanalytische Positionen aufgegeben werden. Aber von beiden Seiten wird die Angst geschürt, d.h. die Angst, dass nur, wenn das eine oder das andere geschieht, die Psychoanalyse noch eine Zukunft hat. Wäre es demnach heute nicht an der Zeit, über das Thema "Angst und Methode in der Psychoanalyse" nachzudenken?

Alle aktuellen und brennenden psychoanalytischen Themen, wie Forschung und Forschungsmethoden, Bereinigung der Vielfalt psychoanalytischer Konzepte und die so genannte Öffentlichkeitsarbeit bzw. Außendarstellung, gehören auch auf den Prüfstand selbstreflexiver psychoanalytischer Deutungs- und Einsichtsarbeit. Dabei gilt es, kontroverse Positionen auszuhalten, was unter der Bedingung der Anwesenheit von starken Affekten besonders schwierig ist. Wir glauben, dass das geeignetste Mittel dafür ist, so präzise als möglich die Ängste und Sorgen, die wir erleben, zu formulieren, weil wir nur so eine Position gewinnen können, die unsere psychoanalytische Arbeit, sei es in Klinik oder Forschung, wahrhaft befördert.

Dazu gehört auch, dass wir die Bedeutung der verschiedenen Forschungsmethoden in der Psychoanalyse neu überdenken müssen: Beruhen die von uns verwendeten Methoden auf Forschungen, die durch einen produktiven Dialog unterschiedlichster klinisch theoretischer Paradigmen in einer lebendigen Diskussion zustande gekommen sind?  Oder drängen erneut Methoden in den Vordergrund, die von ´defensiven´ therapeutischen Strategien beeinflusst, sich am herkömmlichen medizinischen bzw. naturwissenschaftlichen Modell orientieren und dem Rätsel des Humanen und der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen in keiner Weise gerecht werden?

Die Hauptvorträge und ihre Diskutanten werden sich nicht nur mit klinischen und theoretischen Aspekten der Angst des Analytikers in der Gegenübertragung befassen, sondern auch mit der Angst des Analytikers, wenn es darum geht, die psychoanalytische Methode und ihre Anwendung im Dialog mit der 'Psychoanalytic Community', aber auch mit anderen Wissenschaftsbereichen sowie ganz allgemein der Gesellschaft gegenüber zu vertreten. Außerdem wollen wir uns der Frage widmen: Wie sollen wir uns als Psychoanalytiker in unserer heutigen modernen Gesellschaft in der Öffentlichkeit darstellen, um für potenziell an der Psychoanalyse Interessierte die notwendige Attraktivität zu besitzen, um sie für die Psychoanalyse zu gewinnen?

Wir hoffen, dass auch die Tagung in Kopenhagen ein Treffpunkt des Austausches zwischen Mitgliedern und Kandidaten, des Respekts und der Integration unserer vielfältigen europäischen psychoanalytischen Landschaften wird, gebündelt und zusammengehalten durch die Plenarveranstaltungen mit den Hauptrednern: Giuseppe Scariati (Genf), Antonio Perez-Sanchez (Madrid), Erwin Kaiser (Berlin), Andre Beetschen (Paris), Björn Salomonsson (Stockholm), Savvas Savvopoulos (Athen), Leopold Nosek (Sao Paulo) und Marie France Dispaux (Brüssel).

Es wird eine Reihe von speziellen Panels zu Fragen der Forschung geben, einschließlich der Vorstellung und Diskussion der Forschungsergebnisse unserer Working Parties (2001-2009).  Als Grundlage für diese Panels dienen die Forschungsberichte der jeweiligen Working Parties, die in einem Ergänzungsband zum EPF-Bulletin No. 64 im Herbst 2010 erscheinen.

Sie sind alle herzlich nach Kopenhagen eingeladen!

 

Peter Wegner, Präsident der EPF

Ronny Jaffe, Vizepräsident der EPF und Vorsitzender des Programm Komitee

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